Haben Lipidparameter wie das LDL-Cholesterin oder die Triglyzeride Einfluss auf das Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln? Die Ergebnisse einer im Fachjournal Nutrients veröffentlichten Studie1 sprechen dagegen.
Das Wichtigste in Kürze
Dass Fettstoffwechselstörungen ein Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle sind, steht außer Frage.2 Studien, die untersucht haben, ob auch Herzrhythmusstörungen bei Menschen mit ungünstigen Lipidwerten gehäuft auftreten, lieferten dagegen heterogene Ergebnisse.3–8 Anhand der Mendelschen Randomisierung (MR), einer Analysemethode aus Epidemiologie und Biostatistik, die kausale Zusammenhänge abschätzen kann, konnte eine chinesische Arbeitsgruppe einen weiteren Hinweis dafür liefern, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen Vorhofflimmern (VHF) und dem Lipidstatus besteht.1
Erhöhte Lipidwerte steigern bekanntlich das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Doch begünstigen sie auch VHF? Dieser Frage gingen Yang et al. in einer 2022 veröffentlichten Analyse nach.
Hervorzuheben ist, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie keinen direkten Zusammenhang zwischen laborchemischen Lipidwerten und dem VHF-Risiko analysiert haben. Stattdessen verwendeten sie das Prinzip der MR, welches kausale Zusammenhänge zwischen Genotyp (bestimmten genetischen Merkmalen) und Phänotyp (zum Beispiel einer Erkrankung) abschätzen kann. Anhand der MR untersuchten sie, ob genetische Polymorphismen, die sich bekanntermaßen auf den Lipidstoffwechsel auswirken, mit einem erhöhten oder reduzierten VHF-Risiko assoziiert sind.1
Der Ansatz bietet zwei entscheidende Vorteile:
- Da genetische Polymorphismen in einer Population zufällig verteilt sind, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass Störfaktoren (Confounder) das Ergebnis verfälschen.
- Ein reverser Kausalzusammenhang kann weitgehend ausgeschlossen werden (theoretisch könnte VHF auch zu veränderten Lipidwerten führen und nicht umgekehrt).1
Welche Lipidparameter standen im Fokus?
Die von Yang et al. ausgewerteten Datensätze stammen aus der UK Biobank – einer prospektiven Kohortenstudie, die 2006 im Vereinigten Königreich ins Leben gerufen wurde – und aus genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) mit insgesamt mehr als 1.000.000 europäischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.9,10 Mithilfe der Datenbank konnten Allele identifiziert werden, die Einfluss auf den Lipidstoffwechsel haben. In einem zweiten Schritt ließ sich anhand der GWAS-Daten der Zusammenhang zwischen diesen Allelen und dem VHF-Risiko beurteilen.
Gegenstand der Analyse waren Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs), die nachweislich einen signifikanten Einfluss auf die Blutspiegel der folgenden Lipidparameter haben:1
- LDL-Cholesterin
- HDL-Cholesterin
- Triglyzeride
- Apolipoprotein A1
- Apolipoprotein B
SNPs, die in dieser Erstauswahl enthalten waren und die bekanntermaßen auch im Zusammenhang mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren wie arterieller Hypertonie, chronischen Nierenerkrankungen oder Entzündungsmediatoren stehen, wurden systematisch ausgeschlossen.1
Risiko für Vorhofflimmern nicht durch Lipide beeinflusst
In drei unterschiedlich gewichteten multivariaten Analysen bestand keine signifikante Assoziation zwischen den oben genannten genetisch determinierten Lipidparametern und dem VHF-Risiko.1
Signifikante Ausreißer beim Lipidparameter „Triglyzeride“ gab es nur in einer univariaten Analyse, die jedoch nicht für Störfaktoren (wie etwa einen additiven Einfluss der übrigen Lipidparameter auf das VHF-Risiko) adjustiert war. Nach diesen Modellberechnungen war jeder Anstieg des Triglyzeridspiegels um 1 mmol/l mit einer Reduktion des VHF-Risikos um 9,3 % bis 14,8 % verbunden. In der multivariaten Analyse bestätigte sich dieser Trend jedoch nicht.1
Vollpublikation der Studie zu Lipidwerten / VHF-Risiko
Hier können Sie die Vollpublikation der Studie zur Beziehung von Lipidwerten und VHF-Risiko herunterladen.
Quellen
- Yang S et al. The Relationship between Blood Lipids and Risk of Atrial Fibrillation: Univariable and Multivariable Mendelian Randomization Analysis. Nutrients 2022;14:181.
- McFarlane SI. Dyslipidemia. IntechOpen 2019.
- Watanabe H et al. Association between lipid profile and risk of atrial fibrillation. Circ J 2011;75:2767–2774.
- Alonso A et al. Blood lipids and the incidence of atrial fibrillation: the Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis and the Framingham Heart Study. J Am Heart Assoc 2014;3:e001211.
- Yao Y et al. Lipid levels and risk of new-onset atrial fibrillation: A systematic review and dose-response meta-analysis. Clin Cardiol 2020;43:935–943.
- Guan B et al. Blood lipid profiles and risk of atrial fibrillation: A systematic review and meta-analysis of cohort studies. J Clin Lipidol 2020;14:133–142.e133.
- Lopez FL et al. Blood lipid levels, lipid-lowering medications, and the incidence of atrial fibrillation: the atherosclerosis risk in communities study. Circ Arrhythm Electrophysiol 2012;5:155–162.
- Mora S et al. Paradoxical association of lipoprotein measures with incident atrial fibrillation. Circ Arrhythm Electrophysiol 2014;7:612–619.
- Sutanto H et al. Genome-wide association studies of atrial fibrillation: Finding meaning in the life of risk loci. International journal of cardiology. Heart & vasculature 2019;24:100397.
- Nielsen JB et al. Biobank-driven genomic discovery yields new insight into atrial fibrillation biology. Nat Genet 2018;50:1234–1239
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