Die Einführung war holprig, die Nachfrage ist überschaubar. Bewährt sich die elektronische Patientenakte als zentrale, digitale und lebenslange Dokumentation der gesundheitlichen Besonderheiten jedes Einzelnen?
Die Vorteile der elektronischen Patientenakte (ePA) liegen auf der Hand. Sie ermöglicht
- einen schnellen Überblick über die Gesundheitsgeschichte jedes Einzelnen,
- die Vermeidung von Doppeluntersuchungen,
- eine vernetzte Gesundheitsversorgung,
- ein schnelles Handeln im Notfall und
- die Speicherung wichtiger Dokumente wie Mutter- und Impfpass, Zahnbonusheft und Kinderuntersuchungsheft.1, 2
Bereits seit dem 1. Januar 2021 müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten im Zuge der Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) eine ePA zur Verfügung stellen.1 Der Versicherte darf frei entscheiden, ob er dieses Angebot zur digitalen Speicherung seiner Krankengeschichte nutzen möchte oder nicht.1 Der Datenaustausch soll durch die ePA schneller und effizienter gestaltet werden und eine Ergänzung zur bestehenden Kommunikation zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken und anderen Leistungserbringern sein.1
Welche Daten können in der ePA gespeichert werden?
Der Versicherte hat die alleinige Entscheidungsgewalt über seine ePA und kann diese jederzeit mithilfe einer App einsehen und auch inhaltlich bearbeiten.1
Folgende Informationen können gespeichert werden:1
- Befunde
- Diagnosen
- Therapiemaßnahmen
- Behandlungsberichte
- Impfungen
- elektronische Medikationspläne
- elektronische Arztbriefe
- Notfalldatensätze
Der Versicherte kann darüber verfügen, welche Personen Einsicht in die Akte nehmen dürfen – seit dem 1. Januar 2022 ist dies für jedes in der ePA gespeicherte Dokument einzeln möglich (feingranulares Berechtigungsmanagement).1, 3 Der Arzt darf neue ePA-Einträge grundsätzlich nur gemeinsam mit dem Patienten erstellen und Daten nur dann aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS) in die ePA übertragen, wenn das vom Patienten gewünscht ist.1 Der Arzt nutzt hierfür seinen Praxisausweis und der Patient seine elektronische Gesundheitskarte.1 Ab dem 1. Januar 2023 können Versicherte ihre ePA-Daten zudem pseudonymisiert und verschlüsselt freiwillig der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen.3
Technikprobleme als Hemmschuh
Kliniken und Vertragsärzte müssen seit dem 1. Januar 2021 beziehungsweise seit dem 1. Juli 2021 an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden sein und die ePA lesen und befüllen können.1, 4 Die technische Voraussetzung hierfür ist ein entsprechendes Firmware-Upgrade für den Konnektor. Außerdem müssen Praxen und Krankenhäuser ihr verwendetes Softwareprogramm (Praxisverwaltungssystem [PVS] oder Krankenhausinformationssystem [KIS]) vom Hersteller anpassen lassen.1 An diesen Stellen gab es in der Vergangenheit häufig Probleme.5 Ein Bericht aus dem Alltag saarländischer Arztpraxen zeigt auf, dass noch im Januar 2022 nur 60 % der Praxen in der Lage waren, die ePA zu befüllen. Nach wie vor waren Softwareprobleme und Systemabstürze an der Tagesordnung.5
Abrechenbarkeit
Ärzte und Psychotherapeuten können sowohl die Erstbefüllung der ePA als auch jede weitere Erfassung medizinischer Daten über die gesetzlichen Krankenversicherungen abrechnen. Dabei ist zu beachten, dass die Datenbearbeitung in der ePA pro Patient nur 1-mal im Quartal abgerechnet werden kann.1 Die Ausstellung von elektronischen Rezepten, Überweisungen und Befundmitteilungen ist dagegen bis zu 4-mal im Quartal berechnungsfähig.1
Nachfrage ausbaufähig
Die ePA hat theoretisch viele Vorteile für Behandler und Patienten – in der Praxis ist sie jedoch noch nicht so recht angekommen. Laut einer im November 2021 im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführten Befragung von 1.003 Menschen in Deutschland ab 16 Jahren möchten 76 % die ePA gerne nutzen. Tatsächlich in Gebrauch hatten sie allerdings erst 0,5 % der Befragten.6 Mehr als die Hälfte (52 %) gab an, bislang noch nicht von ihrer Krankenkasse oder der Ärzteschaft über die ePA informiert worden zu sein.6 Dass jeder gesetzlich Versicherte selbst aktiv werden muss, um die ePA bei seiner Krankenkasse zu beantragen, ist eine weitere Hürde für die flächendeckende Nutzung. Privatversicherte müssen zudem noch abwarten. Für sie fängt die ePA-Testphase erst im Laufe des Jahres 2022 an.7
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Quellen
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Elektronische Patientenakte (ePA) (September 2021); unter: https://www.kbv.de/html/epa.php (abgerufen am 23.052.2022).
- Gematik GmbH. Digital unterwegs. Tipps für Ihren Praxisalltag (Mai 2022); unter: https://www.gematik.de/media/gematik/Medien/Sektoren/Dokumente/gematik_Broschuere_Tipps_Praxisalltag_web_220519.pdf (abgerufen am 23.05.2022).
- Bundesministerium für Gesundheit. E-Health – Digitalisierung im Gesundheitswesen (Januar 2022); unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/e-health-initiative.html (abgerufen am 24.05.20229.
- Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. Umsetzungshinweise und Anwendungsfälle für die elektronische Patientenakte (Oktober 2020); unter: https://www.dkgev.de/themen/digitalisierung-daten/telematik-infrastruktur/elektronische-patientenakte-epa/ (abgerufen am 23.05.2022).
- Saarländischer Rundfunk. Ärzte beklagen Technikprobleme bei elektronischer Patientenakte (Januar 2022); unter: https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/panorama/kritik_elektronische_patientenakte_technikprobleme_hauptmann_100.html (abgerufen am 23.05.2022).
- Bitkom e. V. Drei Viertel der Deutschen wollen elektronische Patientenakte nutzen. (Presseinformation Dezember 2021); unter: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Drei-Viertel-wollen-elektronische-Patientenakte (abgerufen am 24.05.2022).
- Laaff M. Digitalisierung im Gesundheitswesen: Was die elektronische Patientenakte jetzt alles kann. Zeit online (Januar 2022); unter: https://www.zeit.de/digital/2021-12/elektronische-patientenakte-digitalisierung-gesundheitswesen-faq?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F (abgerufen am 23.05.2022).
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