Zerebrale Mikroblutungen: Marker für ein erhöhtes intrakranielles Blutungsrisiko?
Zerebrale Mikroblutungen (CMBs) bei VHF-Patienten, die nach einem ischämischen Schlaganfall eine orale Antikoagulation erhalten, sind mit einem erhöhten Risiko für intrakranielle Hämorrhagien assoziiert. Können CMBs Hochrisikopatienten identifizieren?
Das Wichtigste in KürzeBei VHF-Patienten, die nach einem ischämischen Schlaganfall oder einer TIA eine Antikoagulation erhalten,
- sind CMBs mit einem erhöhten Risiko für intrazerebrale Blutungen assoziiert, 1
- kann die Vorhersagegenauigkeit des HAS-BLED-Risikoscores erhöht werden, wenn CMBs als Biomarker berücksichtigt werden,1
- ist das Risiko, einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden, auch bei Patienten mit CMBs höher als das Risiko für eine intrazerebrale Blutung.1
Nach einem ischämischen Schlaganfall oder einer transienten ischämischen Attacke (TIA) besteht für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (nvVHF) die dringende Indikation für eine orale Antikoagulation.2
Doch wie ist die Situation zu beurteilen, wenn bei einem Patienten zerebrale Mikroblutungen (CMBs) vorliegen? Diese sind als kleine, hypointense Areale in blutsensitiven MRI-Sequenzen zu erkennen und können bei etwa 30 % der Patienten mit ischämischem Schlaganfall und VHF festgestellt werden.3 Sie gelten als radiologischer Biomarker zerebraler Mikroangiopathien, die intrazerebrale Blutungen (ICBs) verursachen können.1 Könnten CMBs als Biomarker eingesetzt werden, um Patienten mit einem sehr hohen Risiko für intrazerebrale Blutungen zu identifizieren und so eine bessere Vorhersage des Nutzen-Risiko- Verhältnisses einer oralen Antikoagulation zu treffen? Dieser Fragestellung widmeten sich die Autoren der CROMIS-2-Studie, einer multizentrischen, prospektiven Kohortenstudie, die 1.490 Patienten in 80 Kliniken im Vereinigten Königreich und den Niederlanden einschloss.1
CMBs mit erhöhtem ICB-Risiko assoziiert
Bei den 1.490 Patienten mit Vorhofflimmern, die nach einem akuten ischämischen Schlaganfall oder einer transitorischen ischämischen Attacke eine orale Antikoagulation erhielten, wurden CMBs bei 21 % (n = 311) festgestellt. Von 1.447 Patienten waren Follow-up-Daten verfügbar. Diese wurden über durchschnittlich 850 Tage (3.366 Patientenjahre) hinweg beobachtet. Etwa 60 % der Patienten nahmen einen Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ein.1
Lagen CMBs vor, war das adjustierte Risiko für eine intrazerebrale Blutung um das 3,67-Fache erhöht (95-%-Konfidenzintervall (KI): 1,27–10,6). Die Rate an intrazerebralen Blutungen betrug1
- bei Patienten mit CMBs 9,8 pro 1.000 Patientenjahre (95-%-KI: 4,0–20,3) und
- bei Patienten ohne CMBs 2,6 pro 1.000 Patientenjahre (95-%-KI: 1,1–5,4).
Dabei spielte die Anzahl der Läsionen eine Rolle.1 So war das adjustierte Risiko für intrazerebrale Blutungen
- bei Patienten mit einer CMB in etwa verdoppelt (Hazard Ratio [HR] = 2,03; 95-%-KI: 0,42–9,83)1 und
- bei Patienten mit ≥ 2 CMBs sogar mehr als verfünffacht (HR = 5,46; 95-%-KI: 1,70–17,51)1.
CMBs in Risikoscores
In einem nächsten Schritt entwickelten die Autoren Modelle zur Risikovorhersage, die die Präsenz von CMBs berücksichtigten. Diese verglichen sie mit dem etablierten HAS-BLED Risikoscore. Das Ergebnis: Im Vergleich zum HAS-BLED-Risikoscore allein konnten diese erweiterten Modelle das Risiko für intrazerebrale Blutungen signifikant besser vorhersagen.1
Ischämierisiko höher als Blutungsrisiko
Zwar belegt die CROMIS-2-Studie eindeutig, dass CMBs das Risiko für intrazerebrale Blutungen erhöhen. Sie zeigt jedoch auch, dass die absolute Ereignisrate für ischämische Schlaganfälle bei den Patienten mit CMBs weiterhin mehr als doppelt so hoch liegt wie für intrazerebrale Blutungen.1
Pro 1.000 Patientenjahren betrug die Rate
- der ischämischen Schlaganfälle 24,1 (95-%-KI: 14,1–38,7)1 und
- der intrazerebralen Blutungen 9,8 (95-%-Konfidenzintervall [KI]: 4,0–20,3)1.
CMBs waren zudem ebenfalls positiv mit dem Auftreten ischämischer Schlaganfälle assoziiert. Es ließ sich jedoch kein statistisch signifikanter Zusammenhang nachweisen (Hazard Ratio [HR] = 1,53; 95-%-KI = 0,85–2,76).1
CMBs als Biomarker?
Die Studienautoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass bei VHF-Patienten, die aufgrund eines ischämischen Schlaganfalls oder einer TIA eine Antikoagulation erhalten, die Präsenz von CMBs einen unabhängigen Prädiktor für zukünftige intrazerebrale Blutungen darstellt und damit die Therapieentscheidung beeinflussen könnte. Um jedoch tatsächlich validierte Risikoscores entwickeln zu können, die Hochrisikopatienten identifizieren, bei denen das Risiko einer Antikoagulation den Nutzen überwiegt, seien weitere großangelegte Kohortenstudien notwendig, so die Forscher.1
Quellen
1. Wilson D et al. Cerebral microbleeds and intracranial haemorrhage risk in patients anticoagulated for atrial fibrillation after acute ischaemic stroke or transient ischaemic attack (CROMIS-2): a multicentre observational cohort study. Lancet Neurol 2018; 17: 539-547. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29778365
2. Kirchhof P et al. 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS. Eur Heart J 2016; 37: 2893-2962.
3. Charidimou A et al. Brain microbleeds, anticoagulation, and hemorrhage risk: Meta-analysis in stroke patients with AF. Neurology 2017; 89: 2317-2326. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29117953
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