Die Feinstaubbelastung wird zunehmend als Gesundheitsrisiko erkannt.1 Ob sie bei Menschen mit Vorhofflimmern auch zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko führen kann, wurde von zwei Arbeitsgruppen untersucht – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Hier erfahren Sie mehr dazu.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Studie von Rhinehart et al. hat den Einfluss von Feinstaub auf die Häufigkeit von Schlaganfällen bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) in Allegheny County (USA) untersucht.2
- Es zeigte sich, dass Menschen mit VHF, die in Gebieten mit sehr hoher Feinstaubbelastung leben, häufiger einen Schlaganfall erleiden als Betroffene, die in weniger belasteten Gegenden wohnen.2
- Eine neue Studie von Tan et al. konnte diese Ergebnisse für den Stadtstaat Singapur allerdings nicht bestätigen.
- Inwiefern die Ergebnisse aus den USA auf andere Regionen übertragen werden können, bleibt daher bis auf Weiteres offen.
Vorhofflimmern (VHF) geht mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfall einher.3 Auch Luftschadstoffe, insbesondere Feinstaub mit einer maximalen Partikelgröße von 2,5 µm (PM2,5), werden mit Schlaganfällen, Thrombosen und Herzinfarkten in Verbindung gebracht.2
Eine Studie von Rhinehart et al. ging der Frage nach, wie sich die Feinstaubbelastung auf das Schlaganfallrisiko von Patientinnen und Patienten mit VHF auswirkt.2
Das Studiendesign im Überblick
Untersucht wurden insgesamt 31.414 Menschen mit VHF über einen medianen Zeitraum von dreieinhalb Jahren. Durchgeführt wurde die Untersuchung in Allegheny County (Pennsylvania, USA), wo bereits seit langem Schwerindustrie betrieben wird.2
Im Detail wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der wohnortspezifischen Belastung mit PM2,5-Feinstaub und dem Risiko für einen ischämischen Schlaganfall bei VHF-Patientinnen und -Patienten gibt. Hierfür wurden die Daten der größten regionalen Krankenversicherung mit den Ergebnissen einer Kampagne zur Untersuchung der Luftverschmutzung abgeglichen. Das betrachtete Gebiet wurde je nach wohnortspezifischer PM2,5-Belastung in vier Quartile eingeteilt.2
Feinstaubbelastung erhöht das Schlaganfallrisiko
Während des Beobachtungszeitraums erlitten insgesamt 1.546 Patientinnen und Patienten mit VHF einen ischämischen Schlaganfall. Die durchschnittliche jährliche Belastung mit PM2,5 lag bei 10,6 µg/m3. Es konnte folgender Zusammenhang hergestellt werden:
- Ein Anstieg der PM2,5-Belastung um eine Standardabweichung führte zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko, auch wenn Faktoren wie Demografie, klinische Variablen, Haushaltseinkommen und Bildung berücksichtigt wurden. Die Hazard Ratio (HR) lag bei 1,07 (95%-Konfidenzintervall: 1,00–1,14).2
- Nach allen Anpassungen hatten VHF-Patientinnen und -Patienten, die im Quartil mit der höchsten PM2,5-Belastung lebten, ein um etwa 20 % höheres Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, als Betroffene, die im Quartil mit der niedrigsten Belastung lebten (HR 1,21; 95%-Konfidenzintervall: 1,01–1,45).2
Studienlimitationen
Die Aussagekraft dieser Daten wird den Autorinnen und Autoren zufolge durch folgende Einschränkungen begrenzt:2
- Es war nicht möglich festzustellen, wie lange die jeweilige VHF-Erkrankung der untersuchten Patientinnen und Patienten bereits bestand.2
- Ebenfalls nicht berücksichtigt werden konnte eine mögliche Tabakexposition der Studienteilnehmenden mit VHF.2
- Es lagen auch keine Daten zur medikamentösen VHF-Behandlung beziehungsweise einer möglichen Schlaganfallprophylaxe vor.2
Ergebnisse nicht auf andere Regionen übertragbar
Ein weiterer Nachteil der Studie: Allegheny County mit Pittsburgh als Verwaltungssitz gilt als eine der Regionen mit der schlechtesten Luftqualität in den USA.4 Obwohl der gemessene Median der PM2,5-Belastung dem von anderen großen Städten entspricht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die einzelnen Höchstwerte unterscheiden. Die beobachteten Effekte könnten erst ab einem bestimmten Grenzwert auftreten. Ein direkter Vergleich mit anderen urbanen Regionen ist deshalb problematisch.5
Das zeigt auch eine aktuelle Studie von Tan et al. zu den Folgen der Feinstaubbelastung in Singapur. Die Arbeitsgruppe kommt zu dem Ergebnis, dass es in dem südostasiatischen Stadtstaat – zumindest kurzfristig – zu keiner signifikanten Veränderung des Schlaganfallrisikos für Menschen mit VHF durch die Feinstaubbelastung kommt. Die Autorinnen und Autoren beziehen sich auf Daten, die von 2009 bis 2018 gesammelt wurden. Sie verglichen die tägliche Hospitalisierung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit der tagesaktuellen Feinstaubbelastung der Stadt und konnten keine signifikanten Zusammenhänge feststellen.5
Fazit
Trotz ihrer Limitationen trägt die Studie von Rhinehart et al. dazu bei, frühere Erkenntnisse zur gesundheitsschädlichen Wirkung von Feinstaub1 zu untermauern. Denn es wurde nicht nur eine relativ große Anzahl von Menschen mit VHF untersucht, sondern zudem auch eine sehr konsistente Assoziation zwischen PM2,5 und ischämischem Schlaganfall beobachtet.2
Ob die Ergebnisse auf andere Regionen übertragen werden können, in denen die Feinstaubbelastung andere Spitzenwerte erreichen kann, bleibt aber weiterhin offen. Neue Ergebnisse von Tan et al. weisen darauf hin, dass sich die Daten aus den USA zumindest auf Städte wie beispielsweise Singapur nicht übertragen lassen. Die Durchführung weiterer Studien in anderen Modellregionen wird also notwendig sein, um sich ein abschließendes Urteil bilden zu können.
Quellen
- Ritz B et al. Auswirkungen von Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid auf die Gesundheit. Dtsch Arztebl International 2019;116:881.
- Rhinehart ZJ et al. Association of Fine Particulate Matter and Risk of Stroke in Patients With Atrial Fibrillation. JAMA Netw Open 2020;3:e2011760.
- Klein HH, Trappe H-J. Kardioversion von nichtvalvulärem Vorhofflimmern. Dtsch Arztebl International 2015;112:856–862.
- YaleEnvironment360. For low-income Pittsburgh, clean air remains an elusive goal (2022); unter: https://e360.yale.edu/features/for-low-income-pittsburgh-clean-air-remains-an-elusive-goal (abgerufen am 13.03.2023).
- Tan BY et al. Ambient Air Pollution and Acute Ischemic Stroke-Effect Modification by Atrial Fibrillation. J Clin Med 2022;11:(18):5429.
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