Spürbar niedrigere Schlaganfallrate – ein Erfolg der oralen Antikoagulanzien?
In England steigt die Prävalenz von VHF seit 2006 kontinuierlich an. Dennoch ist die Rate an VHF-bedingten Schlaganfällen dort rückläufig. Besteht ein Zusammenhang mit dem vermehrten Einsatz oraler Antikoagulanzien?
In der letzten Dekade wurden international Anstrengungen unternommen, um die Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) zu verbessern und Schlaganfällen effektiver vorzubeugen. So haben die Einführung der Nicht-VKA oralen Antikoagulanzien (NOAKs) und neue Leitlinienempfehlungen die klinische Praxis verändert.1 Mit Erfolg? Die Ergebnisse einer britischen Studie legen dies nahe.
Mehr orale Antikoagulation (OAK) – weniger Schlaganfälle
Anhand der Einträge aus verschiedenen nationalen Datenbanken sammelten die Studienautoren Informationen zur Prävalenz von VHF und der Verordnung von oralen Antikoagulanzien zur Schlaganfallprävention in den Jahren 2006 bis 2016. Gleichzeitig wurde im selben Zeitraum die Zahl der Klinikeinweisungen aufgrund VHF-bedingter Schlaganfälle erfasst.
Die Auswertung der Daten ergab drei wichtige Ergebnisse:1
1. Die Prävalenz von VHF ist gestiegen.
- Die Anzahl der Patienten mit VHF stieg von 692.054 im Jahr 2006 auf 983.254 im Jahr 2016 (Prävalenz: 1,29 % versus 1,71 %). Dabei stieg die Prävalenz innerhalb der ersten fünf Jahre (2006–2011) in gleichem Maße wie innerhalb der zweiten fünf Jahre (2012-2016).
2. Es wurden vermehrt orale Antikoagulanzien verordnet.
- Der Anteil der VHF-Patienten mit einem CHA2DS2-VASc-Score ≥ 2, denen orale Antikoagulanzien verordnet wurden, stieg von 48,0 % auf 78,6 %. Besonders in den Jahren von 2011 bis 2016 wurde ein rasanter Anstieg um 25,8 % verzeichnet.
- Gleichzeitig wurden Thrombozytenaggregationshemmer immer seltener eingesetzt. Der Anteil der Patienten, die diese Form der Prophylaxe erhielten, sank von 42,9 % im Jahr 2006 auf 16,1 % im Jahr 2016.
3. VHF-bedingte Schlaganfälle waren zwischen 2011 und 2016 rückläufig.
- Zwischen 2006 und 2011 stieg die Rate an Klinikeinweisungen aufgrund von VHF-bedingten Schlaganfällen pro 100.000 VHF-Patienten zunächst von 80 auf 98 Einweisungen pro Woche an. Zwischen 2011 und 2016 wurde dann ein Rückgang auf 86 Einweisungen pro Woche verzeichnet (Abbildung 1).
Abbildung 1: Entwicklung der oralen Antikoagulation und der Inzidenz von Schlaganfällen zwischen 2006 und 2016. Modifiziert nach Cowan et al. 20181.
Wurde Schlaganfällen vorgebeugt?
In einer für die VHF-Prävalenz adjustierten Analyse bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen der gestiegenen Nutzung oraler Antikoagulanzien und der Schlaganfallrate: Ein um 1 % höherer Anteil an Patienten mit OAK ging mit einem Rückgang von 0,8 % bei der Rate an wöchentlichen Klinikeinweisungen aufgrund von VHF-bedingten Schlaganfällen einher (Inzidenzratenverhältnis 0,992, 95-%-Konfidenzintervall: 0,989–0,994).
Diesen Berechnungen zufolge hätte es 2015/2016 4.068 Schlaganfälle mehr gegeben, wenn der Anteil der OAK nach 2009 nicht gestiegen, sondern auf unverändertem Stand geblieben wäre.1 Die Studienautoren betonen aber, dass ihre Analyse nur Assoziationen beschreibt und keine Kausalität beweisen kann.
Quellen: Cowan JC, Wu J, Hall M et al. A 10 year study of hospitalized atrial fibrillation-related stroke in England and its association with uptake of oral anticoagulation. Eur Heart J 2018: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29982405 Bildquelle: © AdobeStock.com/upixa