Aktuelle Studie: Wie sich Cannabiskonsum auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt
Cannabinoide haben nicht nur Einfluss auf die Psyche, sondern auch auf das kardiovaskuläre System. Eine unlängst publizierte Arbeit, die die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Herzgesundheit von Menschen unter 50 Jahren untersuchte, lässt besonders aufhorchen. Lesen Sie hier die Ergebnisse im Detail.
Seit dem 1. April 2024 ist in Deutschland der Konsum von Cannabis für Erwachsene ab 18 Jahren legal. Erlaubt ist der Besitz von bis zu 25 mg Cannabis für den Eigenbedarf. Seit dem 1. Juli 2024 ist auch der Eigenanbau von bis zu 3 Cannabispflanzen sowie der gemeinschaftliche Anbau durch nichtgewerbliche Vereinigungen gestattet. Zudem können seit dem 1. Januar 2025 Einträge im Bundeszentralregister gelöscht werden, wenn sie sich auf Verurteilungen beziehen, die nach dem neuen Cannabisgesetz (CanG) keine Straftat mehr darstellen.1
Der Konsum von Cannabis ist seit seiner Legalisierung in Deutschland im April 2024 ein viel diskutiertes Thema, das hohe Wellen in der Bevölkerung geschlagen hat. Besonders im Fokus der öffentlichen Diskussionen stehen dessen Auswirkungen auf die physische und mentale Gesundheit. Tatsächlich kann Cannabiskonsum auch schwerwiegende Folgen für das Herz-Kreislauf-System haben. Einen maßgeblichen Anteil daran hat die durch akuten Cannabiskonsum ausgelöste Aktivierung des sympathischen Nervensystems bei gleichzeitiger Inhibition des parasympathischen Nervensystems.2 Die kardiovaskulären Auswirkungen von Cannabiskonsum wurden in den vergangenen Jahren bereits durch einige Studien gezeigt:
- Blutdruck und Herzfrequenz: Akuter Cannabiskonsum führt zu einem Anstieg der Herzfrequenz und – insbesondere bei Erstkonsument:innen und nach Konsum von hohen Mengen– zu einem Anstieg des Blutdrucks.2
- Wechselwirkungen: Cannabinoide beeinflussen wichtige Klassen von Herz-Kreislauf-Medikamenten, darunter Antiarrhythmika, Kalziumkanalblocker, Statine, Betablocker und Warfarin.3, 4
- Herzinfarkt: Cannabiskonsument:innen haben nach einer Operation möglicherweise ein erhöhtes Herzinfarktrisiko.5
- Mortalität: Cannabiskonsum scheint bei Patient:innen mit Arrhythmie das Mortalitätsrisiko zu erhöhen. Eine Studie mit über 2,4 Millionen hospitalisierten Cannabiskonsument:innen hat ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, während des Krankenhausaufenthalts an Herzrhythmusstörungen zu sterben, bei ihnen 4,5-mal höher war als bei Nichtkonsument:innen.6
Cannabiskonsum erhöht das Herzinfarktrisiko bei gesunden, jüngeren Menschen
Eine im März 2025 erschienene Studie zeigt nun überdies, dass regelmäßiger Cannabiskonsum auch bei gesunden, jüngeren Menschen unter anderem das Herzinfarktrisiko im Allgemeinen steigert. Eine amerikanische Forscher:innengruppe führte dabei eine retrospektive Analyse durch, für die Daten von mehr als 4,6 Millionen Menschen unter 50 Jahren herangezogen wurden. Diese Daten wurden über das TriNetX-Netzwerk bezogen, eine globale Plattform, die medizinische Real-World-Daten sammelt und diese Forscher:innen als Datenpools für Studien zur Verfügung stellt.7 Von den 4,6 Millionen Teilnehmer:innen konsumierten 2,01 % Cannabis. Letztere waren durchschnittlich 26 Jahre alt, während die Nichtcannabiskonsument:innen ein Durchschnittsalter von 21 Jahren aufwiesen. 18,72 % der Cannabiskonsument:innen hatten einen Body-Mass-Index (BMI) größer als 30 und wurden daher als adipös eingestuft, bei den Nichtcannabiskonsument:innen betraf dies 3,25 %. Darüber hinaus war die Prävalenz von Depressionen unter den Cannabiskonsument:innen fast 15-fach höher als unter den Nichtcannabiskonsument:innen (30,63 % vs. 1,88 %).
Ein Propensity-Score-Matching (PSM) wurde durchgeführt, um die Anzahl der Teilnehmer:innen auf 2 gleich große Kohorten aufzuteilen, die demografisch ausgeglichen waren und zu Beginn vergleichbare Gesundheitsdaten aufwiesen. Die Kohorten wurden wie folgt unterschieden:
- Cannabiskonsument:innen mit diagnostizierter Abhängigkeit
- Nichtcannabiskonsument:innen
Beiden Kohorten wurden jeweils 89.776 Teilnehmer:innen zugeordnet, die verhältnismäßig gesund waren. Das bedeutete, dass sie zu Studienbeginn keine Komorbiditäten wie Bluthochdruck, Hyperlipidämie, koronare Herzerkrankungen oder Diabetes zeigten. Der primäre Endpunkt war das Auftreten eines Herzinfarktes. Der sekundäre Endpunkt beinhaltete schwerwiegende unerwünschte kardiale Ereignisse wie Schlaganfall, koronare Revaskularisation, Kammerflimmern/Tachykardie und Herzinsuffizienz. Über einen Zeitraum von 5 Jahren zeigte die Studie Folgendes:
- Das Risiko für einen Herzinfarkt betrug bei den Cannabiskonsument:innen 0,558 % und war damit ungefähr 6-fach höher als bei den Nichtcannabiskonsument:innen (0,09 %; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: 0,415–0,52 %).7
- Das Schlaganfallrisiko lag bei den Cannabiskonsument:innen bei 0,405 % und bei den Nichtkonsument:innen bei 0,094 % (95-%-KI: 0,266–0,358 %). Somit war hier das Risiko durch Cannabiskonsum um mehr als den Faktor 4 erhöht.7
- Das Risiko, eine Herzinsuffizienz zu erleiden, war bei den Teilnehmer:innen mit Cannabiskonsum ungefähr doppelt so hoch wie bei den Nichtkonsument:innen (0,861 vs. 0,424 %; 95-%-KI: 0,363–0,511 %).7
- Die Mortalitätsrate betrug bei den Cannabiskonsument:innen 1,262 % und bei Nichtcannabiskonsument:innen 0,841 % (95-%-KI: 0,327–0,515 %).7
Cannabiskonsum kann also das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen auch bei Patient:innen erhöhen, die ansonsten gesund und jung sind und eigentlich nicht zu dieser Art von Erkrankungen neigen. Bei der Interpretation der Daten sind jedoch die Schwächen der Studie zu berücksichtigen: Da die Daten der Cannabiskonsument:innen nach Diagnosen gemäß der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10 (englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems Version 10 [ICD-10]) ausgewählt wurden, können keine genauen Aussagen darüber getroffen werden, wie sich individuelle Faktoren wie Konsumhäufigkeit, Dosierung und Konsumart auf die kardiovaskulären Risiken auswirken. Weitere Studien sind erforderlich, um das Dosis-Wirkungs-Verhältnis genau zu bestimmen. Zudem hängt eine Analyse von Real-World-Daten stets von der Genauigkeit der Dokumentation in den Kliniken ab, weshalb fehlerhafte Angaben die Aussagekraft der Analyse beeinträchtigen können.7
Quellen:
- Bundesministerium für Gesundheit. Fragen und Antworten zum Cannabisgesetz (Februar 2025); unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz.html (abgerufen am 28.03.2025).
- Mascherbauer J. Cardiovascular (side) effects of cannabis. Wien Klin Wochenschr 2024;136:529–532.
- DeFilippis EM et al. Marijuana Use in Patients With Cardiovascular Disease: JACC Review Topic of the Week. J Am Coll Cardiol 2020;75:320–332.
- Damkier P et al. Interaction between warfarin and cannabis. Basic Clin Pharmacol Toxicol 2019;124:28–31.
- Goel A et al. Cannabis Use Disorder and Perioperative Outcomes in Major Elective Surgeries: A Retrospective Cohort Analysis. Anesthesiology. The Journal of the American Society of Anesthesiologists 2020;132:625–635
- European Society of Cardiology (ESC). People with heart rhythm disorders warned over cannabis use (April 2021); unter: https://www.escardio.org/The-ESC/Press-Office/Press-releases/People-with-heart-rhythm-disorders-warned-over-cannabis-use (abgerufen am 28.03.2025).
- Kamel I et al. Myocardial Infarction and Cardiovascular Risks Associated with Cannabis Use: A Multicenter Retrospective Study. JACC Adv 2025:1–9.