Wie sich Cannabiskonsum auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt
Cannabinoide haben Einfluss auf das kardiovaskuläre System und die Psyche. Wie starker Cannabiskonsum das gesundheitliche Risiko bei Operationen beeinflusst, hat nun eine amerikanische Forschergruppe untersucht.1
Der Konsum von Cannabis kann schwerwiegende Auswirkungen auf Herz und Kreislauf haben. Die aktuelle Studienlage ist wie folgt:
- Blutdruck: Akuter Cannabiskonsum führt zu einem Anstieg des Blutdrucks und zu orthostatischer Hypotonie.2
- Wechselwirkungen: Cannabinoide beeinflussen wichtige Klassen von Herz-Kreislauf-Medikamenten, darunter Antiarrhythmika, Kalziumkanalblocker, Statine, β-Blocker und Warfarin.3, 4
- Herzinfarkt: Cannabiskonsumenten haben nach einer Operation möglicherweise ein erhöhtes Herzinfarktrisiko (siehe unten).1
- Mortalität: Cannabiskonsum scheint bei Arrhythmiepatienten das Mortalitätsrisiko zu erhöhen. Eine Studie mit über 2,4 Millionen hospitalisierten Cannabiskonsumenten hat ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, während des Krankenhausaufenthalts an Herzrhythmusstörungen zu sterben, 4,5-mal höher war als bei Nichtkonsumenten.5
Cannabiskonsum und postoperative Komplikationen
Eine amerikanische Forschergruppe hat im Jahr 2020 eine Studie publiziert, die untersucht, wie starker Cannabiskonsum das gesundheitliche Risiko bei Operationen beeinflusst.1 Das primäre Outcome der Studie war ein kombinierter Endpunkt, bestehend aus den postoperativen Ereignissen
- Myokardinfarkt,
- Schlaganfall,
- Sepsis,
- tiefe Beinvenenthrombose,
- pulmonaler Embolus,
- akute Nierenverletzung mit benötigter Dialyse,
- Lungenversagen und
- Mortalität.1
Das sekundäre Outcome beinhaltete die Länge des Krankenhausaufenthaltes, die Gesamtkosten des Aufenthaltes und die einzelnen Komponenten des kombinierten primären Endpunkts.1
Erhöhte Gefahr für postoperative Myokardinfarkte
Für die Studie wurden die Daten von gut vier Millionen Patienten, die im Krankenhaus operiert worden waren, herangezogen. Diese Daten stammten aus der US-amerikanischen NIS-Datenbank (NIS = Nationwide Inpatient Sample). Nach einem Propensity-Score-Matching wurden 13.603 Patienten, die viel Cannabis konsumierten, der gleichen Anzahl an Patienten, die kein Cannabis konsumierten, gegenübergestellt.1 Dabei zeigte sich Folgendes:
- Ein Endpunktereignis gemäß der oben genannten Definition trat bei 3,1 % der operierten Cannabiskonsumenten (n = 415) und bei 2,9 % der operierten Patienten ohne aktiven Cannabiskonsum (n = 400) ein.
- Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied in Bezug auf das kombinierte postoperative Outcome (nicht adjustierte Odds Ratio [OR] = 1,29; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: 1,17–1,42; p < 0,001; adjustierte OR = 0,97; 95-%-KI: 0,84–1,11; p = 0,63).
- Auch in Bezug auf die Mortalität im Krankenhaus, auf die Länge des Krankenhausaufenthaltes und auf die durch den Krankenhausaufenthalt verursachten Kosten gab es keinen signifikanten Unterschied.1
Allerdings war das Risiko für einen postoperativen Myokardinfarkt bei Patienten mit starkem Cannabiskonsum im Vergleich zu Patienten ohne Cannabismissbrauch deutlich erhöht: Die adjustierte OR betrug 1,88 (95-%-KI: 1,31–2,69; p < 0,001), die nicht adjustierte OR betrug 2,88 (95-%-KI: 2,34–3,55; p < 0,001).1
Stärken und Schwächen der Studie
Die Stärke der Studie liegt in ihrem großen, repräsentativen Datensatz, bei dem ganz verschiedene Operationsarten berücksichtigt werden konnten (siehe Infobox „Details zur Studie“).1 Zudem konnten die Daten in Bezug auf die demografischen Einflüsse und Komorbiditäten bereinigt werden. Die Schwäche der Untersuchung liegt hauptsächlich darin, dass es sich dabei um eine reine Beobachtungsstudie handelt. Somit können Störfaktoren zur Verzerrung der Daten führen. Allerdings zeigte die Sensitivitätsanalyse, dass die Störfaktoren signifikant groß sein müssten, um den Zusammenhang zwischen postoperativem Myokardinfarkt und starkem Cannabiskonsum zu widerlegen.1
Details zur Studie
- Die Definition des „aktiven Cannabismissbrauchs“ der Studie richtete sich nach der amerikanischen Version der internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (The International Classification of Diseases, 9th revision, Clinical Modification [ICD-9-CM]).
- Die Daten der Krankenhauspatienten entstammten der US-amerikanischen Datenbank Nationwide Inpatient Sample (NIS). Für die beschriebene Studie wurden die Informationen der Jahre 2006–2015 analysiert.
- Die Operationen, denen sich die untersuchten Patienten unterzogen, waren totaler Kniegelenkersatz, totaler Hüftgelenkersatz, Koronararterienbypass, Kaiserschnitt, Cholezystektomie, Kolektomie, Hysterektomie, Brustoperationen (Lumpektomie und Mastektomie), Leistenbruchverschluss, Laminektomie oder andere Wirbelsäulenoperationen.
Quellen
- Goel A, McGuinness B, Jivraj NK et al. Cannabis Use Disorder and Perioperative Outcomes in Major Elective Surgeries: A Retrospective Cohort Analysis. Anesthesiology: The Journal of the American Society of Anesthesiologists 2020; 132: 625-635. https://doi.org/10.1097/ALN.0000000000003067
- Goyal H, Awad HH, Ghali JK. Role of cannabis in cardiovascular disorders. J Thorac Dis 2017; 9: 2079-2092. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28840009/
- DeFilippis EM, Bajaj NS, Singh A et al. Marijuana Use in Patients With Cardiovascular Disease: JACC Review Topic of the Week. J Am Coll Cardiol 2020; 75: 320-332. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31976871/
- Damkier P, Lassen D, Christensen MMH et al. Interaction between warfarin and cannabis. Basic Clin Pharmacol Toxicol 2019; 124: 28-31. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30326170/
- ESC-Pressemitteilung: People with heart rhythm disorders warned over cannabis use. (April 2021); unter https://www.escardio.org/The-ESC/Press-Office/Press-releases/People-with-heart-rhythm-disorders-warned-over-cannabis-use (abgerufen am 06.10.2021).
Bildquelle: AdobeStock/Konstiantyn Zapylaie