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Venöse Thromboembolien: Tiefe Venenthrombose und Lungenembolie
Venöse Thromboembolien treten bei zwei Dritteln der Patienten als tiefe Venenthrombose und bei einem Drittel als potenziell lebensbedrohliche Lungenembolie auf.1 Was sind die Ursachen? Und welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Bei einer Thrombose verlegt ein Blutgerinnsel, der sogenannte Thrombus, das betroffene Blutgefäß teilweise oder vollständig.2 Löst sich der Thrombus von der Gefäßwand, kann er mit dem Blutfluss in andere Körperteile gelangen und dort eine Thromboembolie, wie z. B. eine Lungenembolie (LE), verursachen.2 Die Inzidenz einer symptomatischen Venenthrombose wird in Deutschland jährlich auf etwa eine pro 1.000 Einwohner geschätzt. Mit dem Alter steigt das Thromboserisiko deutlich an: Bei Kindern liegt das Risiko bei etwa 1:100.000, bei Personen im Seniorenalter bei 1:100.2
Inhaltsverzeichnis:
Entstehung einer tiefen Venenthrombose
Tiefe Venenthrombosen (TVTs) manifestieren sich hauptsächlich in den tiefen Beinvenen oder im Becken (V. iliaca 10 %, V. femoralis 50 %, V. poplitea 20 %, Unterschenkelvenen 20 %). Bei etwa 50 % der Patienten mit proximaler TVT kommt es zu (meist) asymptomatischen Lungenembolien.3
In den meisten Fällen lässt sich die Entstehung einer TVT mit dem pathogenetischen Modell der Virchow-Trias erklären. Danach begünstigen Veränderungen des Gefäßendothels, Störungen der Hämodynamik und Veränderungen der Blutzusammensetzung die Thrombenbildung.4
Risikofaktoren für eine tiefe Venenthrombose
Internistische Risikofaktoren für eine TVT sind beispielsweise aktive Malignome, eine Therapie mit Östrogenen, ein Alter ≥ 60 Jahre, Thrombophilien (erworben oder angeboren) oder eine Immobilisation des Patienten. Auch bei Operationen steigt das Thromboserisiko um ein Vielfaches. Längeres Abknicken der V. poplitea bei langem Sitzen kann ebenfalls das Risiko für eine tiefe Venenthrombose erhöhen.3 Besonders hoch ist das Risiko, wenn der Patient bereits eine TVT oder LE in der Vergangenheit durchgemacht hat: 30 % der Patienten erleiden innerhalb von zehn Jahren eine weitere Thromboembolie.5
Symptome einer tiefen Venenthrombose
Anzeichen für eine Beinvenenthrombose können Schmerzen, Spannungsgefühl, Schwellung, Zyanose, vermehrte Venenzeichnung und Überwärmung sein. Diese Zeichen treten jedoch nur bei circa 50 bis 60 % der Patienten auf. Auch klinische Untersuchungszeichen wie Wadenkompressionsschmerz oder Wadenschmerz bei Dorsalflexion des Fußes können vorhanden sein, sind aber unspezifisch.6
Diagnose der tiefen Venenthrombose
Bei einem Verdacht auf eine Thrombose können Sie den Wells-Score zur Bestimmung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer TVT heranziehen (siehe Tabelle 1). Ein positiver D-Dimer-Test kann ebenfalls auf eine frische TVT hinweisen. Als bildgebendes Verfahren der ersten Wahl gilt die (Farbduplex-)Kompressionssonographie.6, 7 Nähere Informationen zur Diagnose der TVT finden Sie hier.
Tabelle 1: Bestimmung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer TVT mithilfe des Wells-Scores7, 8
Klinisches Merkmal | Score |
Aktive Tumorerkrankung | 1 |
Lähmung oder kürzliche Immobilisierung der Beine | 1 |
Bettruhe (> 3 Tage), großer chirurgischer Eingriff innerhalb der letzten 12 Wochen | 1 |
Schmerz/Verhärtung entlang der tiefen Venen | 1 |
Schwellung des gesamten Beines | 1 |
Unterschenkelschwellung (Umfangsdifferenz > 3 cm im Vergleich zur Gegenseite) | 1 |
Eindrückbares Ödem am symptomatischen Bein | 1 |
Sichtbare, oberflächliche Kollateralvenen | 1 |
Frühere, dokumentierte TVT | 1 |
Alternative Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich wie TVT | -2 |
Score ≥ 2,0: Wahrscheinlichkeit für TVT hoch
Score < 2,0: Wahrscheinlichkeit für TVT nicht hoch |
TVT = tiefe Venenthrombose
Therapie der tiefen Venenthrombose
Ziel der TVT-Therapie ist es, eine Lungenembolie zu verhindern und eine Ausbreitung der Thrombose zu vermeiden. Eine chirurgische Intervention mit einer Thrombektomie ist nur noch selten zur Behandlung der tiefen Venenthrombosen erforderlich. Meist kann man die tiefe Venenthrombose (TVT) ambulant behandeln. Im Vordergrund steht dabei eine wirksame Antikoagulation. Traditionell werden niedermolekulare Heparine angewandt. Besonders in der Rezidivprophylaxe gibt es auch die Möglichkeit, bestimmte Nicht-VKA orale Antikoagulanzien (NOAKs) einzusetzen.6
Was ist eine Lungenembolie?
Die akute Lungenembolie (LE) stellt das schwerwiegendste Krankheitsbild einer Venöse Thromboembolie (VTE) dar und sie ist eine insgesamt eine Hauptursache für Mortalität und Hospitalisierung.9
Die Symptome einer LE setzen akut ein, sind jedoch unspezifisch. Häufig treten Dyspnoe, pleuritische oder retrosternale Thoraxschmerzen und Husten auf.9 Auch ein schubförmiger Verlauf ist möglich und kann sich in Schwindelanfällen oder kurzfristigen Synkopen äußern.3
Bei einem Patienten mit Schock oder Hypotension ist der Verdacht auf eine akute Lungenembolie ein Notfall. Eine CT-Angiographie ist dann die Methode der Wahl, um schnell die Diagnose LE stellen oder ausschließen zu können. Der Verdacht gilt als bestätigt, wenn im CT-Angiogramm ein Thrombus mindestens auf der segmentalen Ebene des Pulmonalarterienbaums nachgewiesen werden kann.9
Bei der Therapie der Lungenembolie wird als wichtigste Maßnahme eine Antikoagulation empfohlen, die mindestens über drei Monate fortgeführt werden sollte. Häufig wird initial eine parenterale Antikoagulation mit niedermolekularem Heparine und Pentasaccharid (Fondaparinux) durchgeführt, die schließlich durch eine orale Antikoagulation abgelöst wird.9 In schweren Fällen können auch Maßnahmen wie eine Thrombolyse, kathetergeführte Methoden oder eine chirurgische Embolektomie zum Einsatz kommen.6, 9
Quellen:
- White RH. The epidemiology of venous thromboembolism. Circulation 2003; 107: I4-8. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12814979
- Thrombose. Gelbe Liste Online – Medizinische Medien Informations GmbH (August 2019). Online verfügbar unter: https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/thrombose (abgerufen am 11.02.2021).
- Herold G. Innere Medizin. Gerd Herold, Köln; 2018.
- Reitsma PH, Versteeg HH, Middeldorp S. Mechanistic view of risk factors for venous thromboembolism. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2012; 32: 563-568. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22345594
- Heit JA. The epidemiology of venous thromboembolism in the community. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2008; 28: 370-372. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18296591
- Schinzel H, Hendelmeier M. Therapie der frischen tiefen Beinvenenthrombose. Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 786-791.
- Leitfaden der AkdÄ – Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) sowie Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) (Februar 2019). Online verfügber unter: https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/LF/PDF/OAKTVTLE.pdf (abgerufen am 18.02.2021).
- Wells PS et al. Evaluation of D-dimer in the diagnosis of suspected deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2003; 349: 1227–1235. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14507948.
- European Society of Cardiology, ESC pocket guidelines: Management der akuten Lungenembolie, Version 2019. https://leitlinien.dgk.org/files/06_2019_pocket_leitlinien_lungenembolie.pdf
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