Erhöhtes VHF-Risiko durch Übergewicht – warum ein paar Kilos zu viel nicht harmlos sind
Schon ein paar Kilos zu viel erhöhen das kardiovaskuläre Risiko – einschließlich des Risikos für Vorhofflimmern (VHF). Das zeigt eine Studie von schottischen Wissenschaftler:innen. Demnach besteht das geringste Herz-Kreislauf-Risiko bei einem Body-Mass-Index von 22 bis 23 kg/m2; bei höheren Werten steigt das Risiko an.1 Die gute Nachricht: Eine Gewichtsreduktion kann unter bestimmten Umständen speziell das VHF-Risiko auch wieder reduzieren.2, 3
Das Wichtigste in Kürze
Bereits ein geringfügiges Übergewicht erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein Body-Mass-Index (BMI) von 22 bis 23 kg/m2 wird als optimal angesehen.1 Liegt der BMI darüber, kann ein langsamer und kontinuierlicher Gewichtsverlust kombiniert mit zusätzlichem Risikofaktormanagement jedoch nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, sondern beispielsweise Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern (VHF) auch wieder rückgängig machen.2-4 Je größer der Gewichtsverlust ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für einen Rückgang des kardiovaskulären Risikos.2-4 Aber: Das VHF-Risiko erhöht sich bereits durch eine moderate Gewichtszunahme stärker, als es durch die gleiche Gewichtsabnahme reduziert wird.5
Einerseits belegen viele Studien die negativen Auswirkungen eines hohen BMI (Body-Mass-Index) auf das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs und Gesamtmortalität.1, 6 Andererseits geistert seit Jahren immer wieder das sogenannte Übergewichtsparadoxon durch die Literatur. Es besagt, dass Übergewicht und selbst Adipositas keinen Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität und auf die Gesamtmortalität haben oder sogar protektiv wirken sollen – und zwar insbesondere bei älteren Menschen und bei Patient:innen mit koronarer Herzkrankheit oder einigen anderen schweren Erkrankungen.1, 7 Was stimmt denn nun? Forscher:innen der Universität Glasgow um Stamatina Iliodromiti publizierten Daten aus einer großen Kohortenstudie, die gegen das Übergewichtsparadoxon sprechen.1
Daten von knapp 300.000 Europäer:innen analysiert
Ziel der Autor:innen war es, bei Proband:innen ohne kardiovaskuläre Erkrankungen Zusammenhänge zwischen dem BMI und weiteren Parametern wie Taillenumfang, Waist-to-Hip-Ratio und prozentualem Körperfettanteil einerseits und kardiovaskulären Outcomes andererseits zu untersuchen.1
Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler:innen die Daten von fast 300.000 Frauen und Männern aus – allesamt hellhäutige Europäer:innen. Bei der Aufnahme in die Studie waren die Proband:innen zwischen 40 und 69 Jahre alt und frei von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Durchschnitt 5 Jahre. Der primäre Endpunkt waren letale und nichtletale kardiovaskuläre Ereignisse.1
Optimaler BMI liegt zwischen 22 und 23 kg/m2
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie:
- Das geringste kardiovaskuläre Risiko wiesen Studienteilnehmer:innen mit einem BMI von 22 bis 23 kg/m2 auf.1
- Ein niedriger BMI (≤ 18,5 kg/m2) war mit einer höheren Inzidenz an Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert.1
- Ebenso stieg das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab einem BMI > 23 kg/m2 an: Eine Zunahme des BMI um eine Standardabweichung (5,2 kg/m2 bei Frauen bzw. 4,3 kg/m2 bei Männern) erhöhte die Gefahr für kardiovaskuläre Probleme um jeweils 13 %.1
Auch der Bauchumfang erwies sich als aussagekräftiger prognostischer Parameter. Ein Taillenumfang von 74 cm bei Frauen beziehungsweise 83 cm bei Männern korrespondiert mit einem BMI von 22 kg/m2. Pro Zunahme des Bauchumfangs um eine Standardabweichung (12,6 cm bei Frauen bzw. 11,4 cm bei Männern) stieg das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen um 16 % bei Frauen beziehungsweise um 10 % bei Männern.1
Auch eine aktuelle Studie (systematisches Review und Metaanalyse auf Basis von Daten aus 34 Studien), die speziell das VHF-Risiko bei Übergewicht unter die Lupe nahm, legt einen Zusammenhang zwischen Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nahe: Erwachsene mit neu aufgetretenem VHF wiesen im Vergleich zu denjenigen ohne VHF einen erhöhten Taillenumfang auf (standardisierte Mittelwertdifferenz [SMD] = 0,20; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: 0,01−0,39) und hatten eine vergrößerte Körperoberfläche (SMD = 0,06; 95-%-KI: 0,01−0,11).8
Wie führt Adipositas zu VHF?
Doch warum erhöht vor allem starkes Übergewicht (Adipositas; BMI: ≥ 30 kg/m2) das VHF-Risiko überhaupt? Der genaue Zusammenhang wird in der Literatur als komplex beschrieben. Übergewichtsbedingte Begleiterscheinungen wie Hypertonie, Diabetes, systemische Entzündungen im Körper und erhöhte Mengen von epikardialem Fettgewebe können u. a. über eine Vergrößerung der Vorhöfe, eine Myokardfibrose oder das Auftreten von elektrischen Leitungsstörungen letztendlich das Auftreten von VHF begünstigen.9
Gewichtsreduktion kann Regression von VHF bewirken
Kann ein Gewichtsverlust bei adipösen Menschen mit VHF das Fortschreiten der Erkrankung verhindern oder sogar für eine Regression sorgen? Tatsächlich können ein Gewichtsverlust und ein gleichzeitiges Risikofaktormanagement bei VHF den Krankheitsprozess umkehren. Dies zeigte erstmals die REVERSE-AF-Studie2, eine retrospektive Subanalyse der australischen LEGACY-Studie. Diese Registerstudie hatte bereits im Jahr 2015 einen positiven Einfluss einer Gewichtsabnahme auf die Symptomatik des Vorhofflimmerns nachgewiesen.3 Hierbei gilt: Je größer der Gewichtsverlust ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für einen Rückgang des Risikos.2, 3
Negativer Effekt durch Gewichtsschwankungen
Doch die Gewichtsreduktion sollte langsam und kontinuierlich erfolgen. Gewichtsschwankungen > 5 % zeigten einen negativen Effekt und waren mit einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit von rezidivierendem Vorhofflimmern verbunden.3 Eine Metaanalyse von Studiendaten von insgesamt über 100.000 übergewichtigen und adipösen Patient:innen konnte zudem zeigen, dass das VHF-Risiko durch eine moderate Gewichtszunahme (+ 5 %) scheinbar stärker steigt, als es durch die gleiche Gewichtsabnahme reduziert wird.5
Schlank und herzgesund bleiben!
Wissenschaftliche Studien belegen folglich, dass Übergewicht das kardiovaskuläre Risiko von Frauen und Männern mittleren Alters erhöht. Mit der falschen Vorstellung, Fett könne möglicherweise vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen, sollte nach Ansicht von Iliodromiti et al. gründlich aufgeräumt werden. Stattdessen sollte jeder versuchen, sein Gewicht möglichst im empfohlenen Bereich zu halten, um sein kardiovaskuläres Risiko – einschließlich des VHF-Risikos – zu senken.1
Quellen:
- Iliodromiti S et al. The impact of confounding on the associations of different adiposity measures with the incidence of cardiovascular disease: a cohort study of 296 535 adults of white European descent. Eur Heart J 2018;39:1514–1520.
- Middeldorp ME et al. PREVEntion and regReSsive Effect of weight-loss and risk factor modification on Atrial Fibrillation: the REVERSE-AF study. Europace 2018:20(12):1929–1935.
- Pathak RK et al. Long-Term Effect of Goal-Directed Weight Management in an Atrial Fibrillation Cohort: A Long-Term Follow-Up Study (LEGACY). J Am Coll Cardiol 2015;65: 2159–2169.
- Bailey-Davis L et al. Impact of Sustained Weight Loss on Cardiometabolic Outcomes. Am J Cardiol 2022;162: 66–72.
- Jones NR et al. Weight change and the risk of incident atrial fibrillation: a systematic review and meta-analysis. Heart 2019;105:1799–1805.
- Global BMIMC et al. Body-mass index and all-cause mortality: individual-participant-data meta-analysis of 239 prospective studies in four continents. Lancet 2016;388: 776–786.
- Flegal KM et al. Association of all-cause mortality with overweight and obesity using standard body mass index categories: a systematic review and meta-analysis. Jama 2013;309:71–82.
- Shojaei S et al. Waist circumference and body surface area and the risk of developing new-onset atrial fibrillation: A systematic review and meta-analysis of observational studies. Heart & Lung: The Journal of Cardiopulmonary and Acute Care 2025;72:1–12.
- Shu H et al. Unraveling the Nexus between Obesity and Atrial Fibrillation: Mechanistic Insights and Clinical Implications. Advanced Concepts in Medicine and Medical Research 2024;12:64–87.




