Die Behandlung von Patienten mit vielfältigen sprachlichen und kulturellen Hintergründen gehört heute zum Praxisalltag. Wir geben Ihnen 5 Tipps, wie Sie interkulturelle Konflikte vermeiden können.
Nicht erst seit der Ankunft von circa einer Million Flüchtlingen im Jahr 2015 machen Ärzte in Deutschland immer wieder die Erfahrung, dass sie die Behandlung von Menschen mit Migrationshintergrund vor große Herausforderungen stellt:
Sprache
Wenn Arzt und Patient sich im Wortsinn „nicht verstehen“, erschwert das die Anamnese, die Diagnostik und die Therapie erheblich. Häufig bringen Patienten, die wenig oder kein Deutsch sprechen, daher ein Familienmitglied mit, das übersetzen soll. Der Arzt muss dabei allerdings sicherstellen, dass dieser „Dolmetscher“ alles richtig versteht und auch korrekt weitergibt. Andernfalls kann es zu Haftungsansprüchen kommen.1 Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie unter folgendem Link:
Ärztliche Aufklärung fremdsprachiger Patienten – Neue Anforderungen!
Im Klinikalltag werden Ärzte immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt, insbesondere auch, wenn es um die ordnungsgemäße Aufklärung gerade bei fremdsprachigen Patienten geht. Informieren Sie sich jetzt.
Mittlerweile gibt es bei Sprachbarrieren zahlreiche Angebote, die Ärzte bei der Behandlung unterstützen. Beispielsweise stehen Anamnesebogen und Patienteninformationen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung und es gibt zunehmend die Möglichkeit, telefonisch einen Dolmetscher hinzuzuziehen (siehe Servicebox).
Ist eine Verständigung auch ohne Dolmetscher möglich, dann sprechen Sie am besten in kurzen, aber sprachlich korrekten und vollständigen Sätzen. Je nach Situation kann es hilfreich sein, schon bei einfachen Themen Bilder, anatomische Schautafeln und Modelle zur Illustration einzusetzen.2 Achten Sie darauf, offene Fragen zu formulieren. Auf geschlossene Ja-/Nein-Fragen werden Patienten aus manchen Kulturkreisen nur mit Ja antworten, weil sie eine Verneinung als unhöflich gegenüber der fragenden Person empfinden.2
Verständnis von Krankheit
Die westliche Sichtweise auf Krankheiten unterscheidet sich zum Teil erheblich von der anderer Kulturen. Ist nur ein Körperteil von einer Erkrankung betroffen, konzentriert sich die westliche Medizin häufig auf die diagnostische Einordnung und die Behandlung der betroffenen Strukturen. Dagegen spielt beispielsweise für türkische Patienten so gut wie immer die Krankheitsursache die entscheidende Rolle. Eine lokalisierte Erkrankung, die nicht die gesamte leiblich-seelische und soziale Befindlichkeit des Betroffenen in Mitleidenschaft zieht, ist für diese Patientengruppe häufig unvorstellbar.3 Ebenso können kulturspezifische Vorstellungen eine Rolle spielen, die im Westen als „Aberglaube“ gelten, wie der „böse Blick“.3 Diese Unterschiede im Verständnis von Krankheiten muss der Arzt im Blick haben, um das Vertrauen seines Patienten zu gewinnen und dessen Therapieadhärenz zu stärken.4
Auch die Kommunikation von Krankheit und Schmerzen kann bei Patienten aus anderen Kulturkreisen deutlich lauter und intensiver in Mimik und Gestik ausfallen als bei deutschen Patienten. Dies ist der Versuch, den Schmerz für Außenstehende erlebbar und nachvollziehbar zu machen.2 Auf der anderen Seite gibt es streng gläubige Muslime, die schmerzhafte Erkrankungen eher verbergen, da diese als „gottgewollt“ hingenommen werden.2
Rollenverteilung
In vielen Kulturen ist es üblich, dass der Ehemann oder der Vater ebenfalls zum Arzttermin der Frau beziehungsweise der Tochter erscheint. Was von westlichen Menschen schnell als „Unterdrückung“ empfunden werden kann, ist bei genauerem Hinsehen nicht selten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung für Familienangelegenheiten, die im öffentlichen Raum stattfinden. Übersehen Sie das Familienoberhaupt nicht, sondern informieren Sie es über die Behandlung. Stellen Sie aber sicher, dass seine Anwesenheit von der Patientin gewünscht ist.5 Zudem kann es sein, dass Ihr Gegenüber es vermeidet, Ihnen längere Zeit in die Augen zu sehen. Intensiver Blickkontakt zwischen Mann und Frau ist im islamischen Kulturkreis tabu, da dies als eindeutiges Zeichen der Annäherung verstanden wird.2
Familie
Häufig scheint es, als würden Patienten gleich „die ganze Verwandtschaft“ zum Arzttermin mitbringen. Diese Personen übernehmen verschiedene Funktionen – als Dolmetscher, Fahrer, Anstandsbegleitung und Familienoberhaupt sowie als seelischer Unterstützer. Bleiben Sie gelassen und bitten Sie gegebenenfalls die Begleiter darum, draußen zu warten. Verweisen Sie auf die weibliche Sprechstundenhilfe („Anstandsrolle“) und darauf, dass auch andere Patienten einen Sitzplatz im Wartezimmer benötigen.5
Pünktlichkeit
In den jeweiligen Herkunftsländern herrscht oft ein anderes Verständnis von Zeit. In der Folge kommen Patienten (wiederholt) unpünktlich, was die Organisation der Praxis vor Schwierigkeiten stellt.6 Hier kann es helfen, die Praxisorganisation insgesamt gut aufzustellen. Beispielsweise indem man anstelle einer reinen Terminsprechstunde auch offene Sprechstunden anbietet.7 Eine andere Möglichkeit, seine Patienten zu „erziehen“, ist das Erheben einer Ausfallgebühr, falls ein Patient nicht zu seinem Termin erscheint. Dies setzt allerdings einen Behandlungsvertrag voraus.8
Fazit
Bei der Behandlung von Patienten mit Migrationshintergrund kann es neben der Sprache noch andere Hindernisse geben. Geduld und Verständnis für den kulturellen Kontext helfen Ihnen als Arzt, Vertrauen aufzubauen und Ihre Patienten optimal zu behandeln.